Beobachter am Himmel

  Mini-Überwachungsdrohnen oder doch
nur Insekten – oder vielleicht beides?



Auf Demonstrationen und anderen politischen Veranstaltungen gibt es in den USA immer wieder mal Menschen, die Mini-Überwachungsdrohnen am Himmel gesehen haben wollen, während andere sagen, es wären nur Libellen oder andere Insekten gewesen. Wer von beiden recht hat, kann ich nicht sagen. Was jedoch interessant daran ist, ist die Tatsache, dass in diesen Fällen beide gleichzeitig recht haben könnten. Zumindest in nicht all zu ferner Zukunft. Denn in der Forschung und Entwicklung von immer noch kleiner werdenden Überwachungsdrohnen hat sich in den letzten Jahren viel getan.

Die Forschung an UAVs (unmanned aerial vehicles) oder auch Drohnen genannt, reicht bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Tom Ehrhard, ein pensionierter Air Force Colonel sagte in einem Interview für die Washington Post: „Fliegende Roboter werden vom Militär seit dem Zweiten Weltkrieg verwendet, aber in der letzten Dekade hat ihre Anzahl und der Grad ihrer Weiterentwicklung enorm zugenommen.[1]

Heute existieren alle möglichen Arten von UAVs, angefangen von solchen in Flugzeuggröße wie z.B. den Predator bzw. Reaper Modellen, die etwa in Afghanistan zu Überwachungs- und Angriffszwecken zum Einsatz kommen, über sogenannte MAVs (micro air vehicle) welche meist für nachrichtendienstliche und militärische Aufklärung Verwendung finden und deren Größe zum Teil schon auf die eines Tellers reduziert worden ist, bis hin zu noch kleineren Small UAVs (SUAV) von denen sich viele noch in der Entwicklungsphase befinden, und die, zumindest offiziell, noch nicht im Einsatz sind. Der Trend bei diesen Mini-Drohen geht sehr deutlich dahingehend, immer noch kleinere, noch besser getarnte Überwachungsdrohnen zu entwickeln.

Viele der heute offiziell verwendeten UAVs basieren auf dem Rotor-Antriebsprinzip bzw. auf dem Prinzip von Hubschraubern oder Quadrocoptern. Die sogenannten Ornithopter bilden eine weitere Klasse von UVAs. Sie basieren auf verschiedenen Varianten des Schwingflügel-Antriebs welcher bereits von Leonardo da Vinci vor knapp 500 Jahren erforscht wurde. Das Konzept hinter dem Schwingflügel-Antrieb besteht darin, dass durch das Studium von Vögeln, Libellen, Fliegen und anderen flugfähigen Tieren versucht wird, deren Fortbewegungstechniken auf mechanische Techniken zu übertragen.

Bereits in den 1970ern forschte das Office of Research and Development der CIA an benzinbetriebenen Ornithopter Drohnen welche sie Insectothopter nannten und die in etwa die Größe einer Libelle hatten. Unter Laborbedingugen waren diese Insectothopter auch flugtauglich, unter natürlichen Bedingungen hatten sie allerdings anscheinend recht große Probleme die Dinger zu steuern. Jedenfalls wurde das Programm wieder eingestellt, da diese Drohnen bei Seitenwinden zu schwierig zu kontrollieren gewesen waren.[2] Vom Benzinbetrieb ist man inzwischen abgekommen, aber die Forschung und Entwicklung von Ornithoptern lief kontinuierlich weiter und hat auch große Fortschritte gemacht. Mittlerweile gibt es bereits seit Jahren frei auf dem Markt erhältliche Spielzeug-Ornithopter in verschiedensten Formen und Größen.[3] Und die Entwicklung dauert an. Heute gibt es Ornithopter in der Größe einer Fliege und womöglich sogar bereits noch kleinere Varianten. Dr. Robert Wood konstruierte vor einigen Jahren an der Harvard Universität einen flugfähigen Ornithopter mit einer Flügelspannweite von 3 cm und einem Gewicht von 60 mg.[4] Studenten an der Delft University of Technology demonstrierten in ihrem DelFly Projekt einen fliegenden Ornithopter mit eingebauter Kamera mit einem Gewicht von 3 Gramm.[5]

Wer sich unter modernen Überwachungsdrohnen also so etwas in der Art vorstellt, wie in dem Bild weiter oben mit dem Polizisten und seinem monströsen Quadrocoper, der liegt sehr weit daneben. Die Drohnen, an denen heutzutage gebastelt wird sind so klein wie Fliegen und sehen beispielsweise so aus:[6]


Bei diesen Ornithopter-Modellen handelt es sich natürlich noch um Prototypen. Doch Nachrichtendienste wie der CIA forschen ebenfalls, allerdings im geheimen, an solchen und ähnlichen Drohnen. Und wie weit sie in ihrer Entwicklung bereits fortgeschritten sind kann man nur erahnen.

Wie bereits anfangs erwähnt, gibt es jedoch bereits seit einigen Jahren immer wieder Berichte, denen zufolge ähnliche Ornithopter-Modelle auf Veranstaltungen wie etwa Demonstrationen in den USA zum Einsatz gekommen sein sollen,[7] was von den Behörden allerdings bestritten wird. Darüber sprechen, wie weit man wirklich mit der Entwicklung solcher Drohen ist, will man von behördlicher Seite jedoch auch nicht unbedingt.

Was mittlerweile alber bekannt ist, ist das neben den UAVs mit Hubschrauber- oder Quadrocopterantrieb, von denen unterschiedlichste Varianten schon lange im Einsatz sind, und neben den gerade erwähnten Ornithopter-Technologien, auch noch an völlig anderen Formen von UAVs geforscht wird. An ultimativen Überwachungsdrohnen, um präzise zu sein. Schlaue Menschen der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) dachten sich nämlich: Weshalb umständlich und für viel Geld immer kleinere mechanische Roboter bauen, die dann versuchen, das Verhalten von Insekten zu simulieren, wenn man sich doch gleich Cyborg-Insekten züchten kann. Kleine, harmlos erscheinende Tierchen die ferngesteuert herumfliegen und so alles völlig unauffällig beobachten können: Cybugs.

Dazu hat die DARPA ein Programm mit dem Namen Hybrid Insect Micro-Electro-Mechanical Systems (HI-MEMS)[8] vor einigen Jahren ins Leben gerufen in welchem man nun für ein Budget von $12 Millionen an Motten-Cyborgs und ähnlichem bastelt.[9] Als ersten Schritt baute man ein „Cyborg Beetle Microsystem“, wie es dann genannt wurde. Durch die Implantation verschiedener Elektroden im Gehirn und in den Muskeln eines Käfers konnten sie diesen offenbar bald fernsteuern.[10]

 Quelle: technovelgy.com

Dann ging das Forschungsprogramm dazu über, an Motten bzw. an deren Larven zu experimentieren. Dr. Jack Judy, Programm Manager von HI-MEMS rechtfertigt die Forschungen zu dem Projekt folgendermaßen:

Die Tierwelt hat den Menschen seit Jahrtausenden als Fortbewegungsmittel gedient. Zum Beispiel haben wir Pferde und Elephanten zur Fortbewegung in Kriegen oder zum Handel eingesetzt. Vögel wurden verwendet um geheime Nachrichten zu verschicken und Gas in Kohleminen zu erkennen.Das HI-MEMS Programm zielt darauf ab, Technologie zu entwickeln die es gestattet, mehr Kontrolle über die Fortbewegung von Insekten zu erhalten, genau so wie Sättel und Hufeisen benötigt werden, um die Fortbewegung von Pferden zu kontrollieren. ... Das HI-MEMS Programm zielt darauf ab, eng verbundene Maschinen-Insekten Schnittstellen zu entwickeln indem man mikromechanische Systeme in die Insekten einpflanzt während diese sich noch in einem frühen Zustand der Metamorphose befinden.“

Er sagte des weiteren, dass man mit Hilfe dieser mikromechanischen Systeme Insekten dann auf unterschiedliche Weise fernsteuern kann: mittels GPS Koordinaten, Radiofrequenzen, optischer oder Ultraschallsignalen. Und billig soll das Ganze auch noch sein: „Die aus HI-MEMS abgeleiteten Technologien werden viele Roboter-Fähigkeiten zu niedrigen Kosten ermöglichen, mit großer Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung zukünftiger autonomer Verteidigungssysteme.“[11]

 

Rodney Brooks, Direktor des Computer Science and Artificial Intelligence Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT), der ebenfalls am HI-MEMS Programm beteiligt ist, erklärte in einem Artikel der Sunday Times,[12] dass Roboter-Technologien mittlerweile zu den wichtigsten Forschungsgebieten des US Militärs gehören würden, und das die Cyborg-Motten nur eine von einer Anzahl von Technologien wäre, welche bald in Kampfzonen zum Einsatz kommen würde. Hinsichtlich der Motten sagte er: „Einige Experimente wurden in den letzten paar Jahren durchgeführt, bei denen einfache Tiere wie Ratten oder Küchenschaben per Joystick ferngesteuert wurden, doch dies ist das erste Mal, dass ein Chip bereits im Verpuppungsstadium [der Motte] eingepflanzt wurde und dieser sozusagen innen gewachsen ist. … Sobald die Motte schlüpft wird maschinelles Lernen angewendet um sie zu kontrollieren.Brooks ist auch der Ansicht, dass es Zeit wäre, die Genfer Konvention dahingehend abzuändern, dass die Verwendung solcher Cyborg-Drohnen gestattet wird. 

  Quelle: technovelgy.com

Die HI-MEMS Wissenschaftler wollen schlussendlich Schwärme dieser Insekten verwenden die alle mit unterschiedlichen Sensoren wie Videokameras, Mikrophonen oder chemischen Detektoren ausgestattet sind und so auf Aufklärungsmissionen geschickt werden können.

Wie bei all den neu entwickelten Technologien der Kriegsführung und der Sicherheit, stellen sich gleich mehrere unausweichliche Fragen. Wie z.B. werden sich Technologien wie Cyber-Insekten auf die Kriegsführung der Zukunft auswirken? Und wie sehen die zukünftigen Standards bezüglich der Verwendung von Tieren zur Erschaffung von hybriden Tier-Cyborg-Kreaturen und Bioengineering ganz allgemein aus? Wird es in Zukunft üblich sein, das Regierungen allerlei biologische Lebensformen auf diese Weise ausbeuten um politische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen? Und wenn die Regierungen diese Technologien irgendwann in großem Umfang zur Verfügung haben, werden diese dann auch im Rahmen der inneren Sicherheit, also im zivilen Bereich Verwendung finden? Momentan wissen wir jedenfalls nur, dass eine unbekannte Anzahl solcher Cyborg-Insekten in den Laboren der DARPA gezüchtet werden und unter den Augen der Wissenschaftler zu ferngesteuerten Motten heranwachsen. 
 

- Domingo Conte  (Januar 2011)



 Cyborg-Motte in einer frühen Phase der Experimente






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Quellen:

[1] Washington Post: „Dragonfly or Insect Spy? Scientists at Work on Robobugs“ (October 9, 2007)
[6] Bildquellen: http://www.delfly.nl/?site=DIII&menu=&lang=nl und http://www.trendbird.co.kr/2347
[7] Siehe dazu z.B.: Washington Post: „Dragonfly or Insect Spy? Scientists at Work on Robobugs“ (October 9, 2007) oder The Telegraph: „US accused of making insect spy robots“ (10 Oct. 2007)
[12] The Sunday Times: Can cyborg moths bring down terrorists? (May 24, 2007)