Der Österreichische Auslandsgeheimdienst: HNA (Heeresnachrichtenamt)

Fernmeldeaufklärungsanlage Königswarte, Bezirk Bruck an der Leitha

Standorte:
Kommandogebäude: Hütteldorferstr. 126, 1140 Wien
Maria-Theresien-Kaserne (eh. Fasangarten-Kaserne): Am Fasangarten 2, 1130 Wien

Fixe Funkhorchstationen: Königswarte u.Neulengbach (Niederösterreich), Kolomannsberg (Oberösterreich), Koralpe (im Süden Österreichs)

Leitung: Generalmajor Fritz Weber (seit 2003)

Offizielle website: nicht vorhanden


Das Heeresnachrichtenamt (HNaA oder HNA) ist der Auslandsnachrichtendienst des österreichischen Bundesheers und untersteht, genau wie sein Partnerdienst, der „Heeres-Abwehramt “ (HAA oder HabwA) genannte (militärische) Inlandsnachrichtendienst, dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) [1]. Daneben gibt es noch eine dritte Behörde die sich mit nachrichtendienstlichen Tätigkeiten befasst: das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der zivile Inlandsgeheimdienst der Bundesrepublik welcher dem Bundesministerium für Inneres (BMI) untersteht. [2]

Am 21. Januar 1985 ist der ehemalige Heeresnachrichtendienst durch Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager im Zuge der Lucona-Affäre aufgelöst worden, und daraus entstanden dann sowohl das Heeres-Nachrichten-Amt (HNA - Auslandsspionage) als auch das Heeres-Abwehr-Amt (HAA - Inlandsspionage). Das HNA wird der ÖVP zugerechnet, das HAA eher den Sozialdemokraten. [3]

Laut dem „Standard“ war das HNA bis 1991 weitgehend unkontrolliert tätig, seit 1991 steht es gemäß Artikel 52a der Bundesverfassung unter parlamentarischer Aufsicht, welche ihrerseits jedoch strenger Geheimhaltungspflicht unterliegt [4]. Die parlamentarische Kontrolle erfolgt seit dem seit 1. Juli 2001 geltenden Militärbefugnisgesetz (MBG) durch den Rechtsschutzbeauftragten (RSB) beim BMLVS. Der Rechtsschutzbeauftragte hat die Aufgabe, HNA und AbwA auf eventuelle Grundrechtsverletzungen und widerrechtliche Datenverwendung hin zu überprüfen. Am 23. Jänner 2004 erklärte der Verfassungsgerichtshof Teile des neuen Militärbefugnisgesetzes für verfassungswidrig [5], jedoch erhielt der Leiter des Heeresnachrichtenamtes noch im selben Jahr einen eigenen Stab in der Zentralstelle des Verteidigungsministeriums (damals unter der Leitung von Gert-René Polli), wodurch das HNA keine nachgeordnete Dienststelle des Ministeriums mehr ist. [6]

In einem Artikel von 2005 erwähnte die ehem. Innenministerin Liese Prokop, dass bis 2000 HNA und Staatsschutz (BMI) stets strikt getrennte Bereiche waren, diese seit der Ära Strasser jedoch enge Verbindungen pflegen würden. Im BVT sind die Verbindungslinien sogar in der Geschäftsführung verankert. Zwischen 11. und 20. Dezember 2004 waren Innen- und Verteidigungsministerium in der Hand eines Ministers, des Ex-Gendarmen aus Tirol, Günther Platter. [7]

Das HNA ist der (einzige) strategische Auslandsnachrichtendienst Österreichs und damit Teil des "sicherheitspolitischen Frühwarnsystems". Das Amt beschafft Informationen über sicherheitspolitisch relevante Regionen, Länder und Organisationen. Aus diesen Informationen verfassen Experten ein Lagebild. Über die gewonnenen Erkenntnisse informiert das Amt u. a. das Verteidigungsministerium, das Außenministerium sowie die Bundesregierung [8]. Das HNA sammelt vor allem Informationen über Österreichs östliche Nachbarn und den Balkan. In dieser Region gilt es laut Zeitungsberichten als einer der am besten informierten Dienste der Welt. [9]

Zitat von Generalmajor Fritz Weber (seit 2003 Leiter des HNA) zum Aufgabenbereich des HNA [10]:

„Das Heeres-Nachrichtenamt ist Teil des sicherheitspolitischen Frühwarnsystems der Republik Österreich und der Europäischen Union. Seine Stärke und Exklusivität liegen in der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung über das Ausland. Das HNaA ist zuständig für die umfassende nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung über das Ausland. Dies impliziert Informationen im gesamten sicherheitspolitischen Spektrum. Eine Trennung der Informationsbeschaffung in einen militärischen und zivilen Bereich ist aufgrund der Komplexität des modernen Lagebildes auch international nicht mehr üblich. Diese Informationen dienen dann als Entscheidungsgrundlage für die politische und militärische Ebene. [...]
Während das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz inlandsbezogen arbeitet, ist das Heeres-Nachrichtenamt, dem Militärbefugnisgesetz folgend, auslandsorientiert. Erkenntnisse über das Ausland werden – spezifischen Interessensprofilen bzw. konkreten Anträgen zur Amtshilfe von Seiten des Innenministeriums folgend – diesem Ressort zur Verfügung gestellt.“

In einer Sitzung des Bundesrates am 27. Juni 2002 beschreibt Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien) die Kompetenzen des HNA folgendermaßen: „Das Heeresnachrichtenamt, das Abwehramt, hat genau die gleichen Möglichkeiten wie die Polizei nach dem Sicherheitspolizeigesetz. Sie können verdeckt ermitteln, Personen mit falschen Identitäten ausstatten. Das sind die letzten Bausteine einer totalen Überwachung.“ Und auch wenn ihm von Seiten verschiedener ÖVP und FPÖ Abgeordneter diesbezüglich widersprochen wurde, so wurde seine Aussage im Laufe der Sitzung dennoch zumindest indirekt bestätigt – so sagte ÖVP-Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein im späteren Verlauf der Sitzung: „Ich glaube, es ist wirklich notwendig – und der 11. September hat das ganz im Speziellen gezeigt –, dass es für die Polizei, für das Heeresnachrichtenamt sehr wohl Möglichkeiten geben muss, zu schauen, wo es Gefährdungen geben kann. Wenn man das verhindert, kann man höchstens auf einen Dankesbrief von Herrn Bin Laden warten.“ [11]

Aus dem Bericht einer Untersuchungskommission des EU-Parlamentes aus dem Jahr 2001 geht des weiteren hervor, dass das HNA und das AbwA auch in das Abhörsystem ECHELON integriert sind und dieses zum Abhören ausländischer Kommunikationen (alle eingehenden und ausgehenden zivilen, militärischen u. diplomatischen Kommunikationen) und staatlicher Kommunikationen (Militär, Botschaften, etc.) einsetzt. [12]

Genauere Details über die allgemeinen und konkreten Aktivitäten des HNA sind sehr rar oder gar nicht vorhanden. Allerdings gibt es einen interessanten Artikel der linken Zeitung „Rosa Antifa Wien“ , welcher im besonderen auf die allgemeine Aufgabenverteilung der militärischen Nachrichtendienste im Zuge der Militärbefugnisgesetzeserweiterungen von 2001 eingeht [13], sowie einen recht aufschlussreichen Antrag des Abgeordneten Rudolf Anschober mit dem Titel "Heeresgeheimdienste - 12 Jahre Wildwuchs sind genug" , dort heißt es u.a.:

„Tatsächlich ist die momentane Organisation des Heeresabwehramtes und des Heeresnachrichtendienstes und insbesondere die Arbeit dieser beiden Dienste für jeden Bürger dieses Landes undurchschaubar und auch politisch unkontrollierbar. […] Eine effiziente politische Überprüfung der Arbeit der beiden Heeresnachrichtendienste ist derzeit aufgrund der fehlenden Kontrollbefugnisse der zuständigen Kontroll-Unterausschüsse nicht möglich. [...]

(Robert) Elmecker betonte weiters, daß die Aussagen des Verteidigungsministers hinsichtlich der internationalen Anerkennung und der hervorragenden Qualität des Heeresnachrichtenamtes zu hinterfragen seien. Bei manchen Lageberichten des Nachrichtenamtes dränge sich nämlich der Verdacht auf, daß die Urheberrechte nur bedingt bei der österreichischen Stelle liegen müssen. (siehe auch APA vom 17.4.1996) […] Derzeit werden von den Heeresnachrichten-diensten pro Jahr nach Schätzungen der Grünen ca. 5.000 Akten mit personenbezogenen Daten bearbeitet. […] Wie der Bundesminister für Landesverteidigung bestätigt, sind bis heute die Aufgaben und Befugnisse der Heeresnachrichtendienste gesetzlich nicht geregelt.“ [14]

Verschiedenen Berichten zufolge war das HNA u.a. involviert in die FPÖ-Spitzelaffäre, in verschiedene Fälle von illegalen Observationen und Abhöraktionen im Inland (oftmals in Verbindung mit dem AbwA und dem BVT), in der Sahara-Geiselnahme 2008, der Christian Waldner Ermordung, dem sogenannten „Hufeisenplan“ während der Jugoslawienkrise und dem Fall Franz Fuchs, wobei bei den letzten beiden genannten die Fakten wohl am deutlichsten für eine direkte Beteiligung des HNA sprechen. So bedankte sich die US-Regierung im Rahmen des Kosovokonfliktes einmal über die Washington Post für die gute Leistung der österreichischen Nachrichtendienste [15]. Aufgrund einer aktuellen Meldung soll hier nun auch kurz auf ein Detail im Fall Franz Fuchs eingegangen werden welchem die meisten Medien damals nur wenig bis gar keine Beachtung geschenkt haben. Zuerst aber zu der aktuellen Meldung:

Anfang Januar 2010 ging die Meldung durch die Medien, dass ein internationales Forscherteam
einen neuen Rekord aufgestellt habe: sie knackten einen RSA 758-Bit Schlüssel und benötigten dafür - mit einem Netzwerk bestehend aus hunderten von Computern - 2,5 Jahre [weitere Informationen dazu z.B. in „der Standard“].

Und nun zu dem Detail im Fall Franz Fuch s: 1996 erhielt das Magazin "profil" einen 15 Seiten
langen, verschlüsselten Bekennerbrief des damals noch unbekannten Attentäters Franz Fuchs. Dieser Brief wurde mit einem RSA 1024-Bit Schlüssel chiffriert [siehe dazu z.B. „The Power of Mathematics to Protect Data and to Break Data Protection“, p.10] und von den Behörden an
Dechiffrierungsexperten des HNA, des BSI (Deutsches Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik) der NSA (amerikanische National Security Agency ) und andere Institutionen
weitergeleitet [siehe dazu „taz.de“ oder hier]. Vier Tage(!) später hatte das HNA als erstes das
Bekennerschreiben entschlüsselt, offenbar unter Beteiligung des mittlerweile verstorbenen deutschen Mathematikers und Kryptologen Hans Dobbertin [siehe „heise online“ oder „taz.de“].

Über die innere Organisationsstruktur des HNA ist im wesentlichen nur bekannt, dass es in sieben Abteilungen gegliedert ist: 1. Führung, 2. Information, 3. Auswertung , 4. Logistik , 5. Informationstechnologie, 6. Fernmeldeaufklärungsdienst und 7. Betriebsstelle [16]. Der Fernmeldeaufklärungsdienst oder Fernmelde-Aufklärungs-Bataillon (FAMB) wurde 1994 im Zuge der Heeresgliederung „Neu“ in das HNA übernommen. Das FAMB ist zuständig für die gesamte Fernmeldeaufklärung mittels verschiedener Lauschstationen (z.B. der Königswarte in Niederösterreich). Die Zentrale des FAMB befindet sich in der Maria-Theresien-Kaserne in Wien. Das sogenannte Peilkommando befindet sich in Neulengbach (das ganze Gebiet gilt als Sicherheits- und Gefahrenzone) [17], des weiteren werden auch mobile Aufklärungsstationen unterhalten. [18]

Das Budget des HNA wird, genau wie das des HAA, im Verteidigungshaushalt nicht ausgewiesen, somit hat auch der österreichische Rechnungshof diesbezüglich keinen vollständigen Einblick. Das Jahresetat wird in einem 1999 veröffentlichten Artikel der Zeitung „die Presse“ auf ca. 40 Mil. € geschätzt [19]. Die Zahl der Mitarbeiter ist ebenfalls nirgendwo veröffentlicht und wird nicht einmal der für die Kontrolle zuständigen parlamentarischen Unterkommission mitgeteilt. Laut einem Bericht der Zeitung „Kurier“ vermuten „Insider“, dass für den Dienst 800 Beamte arbeiten [20], im Buch "Die Politik der Infosphäre: World-Information.Org" von Konrad Becker wird die Zahl von rund 2000 Mitarbeitern genannt [21]. Laut den Angaben des ehem. Bundesministers für Landesverteidigung Werner Fasslabend bezüglich einer Anfrage (5766/J) der Abgeordneten Madeleine Petrovic werden im HNA sowohl Soldaten als auch Zivilbedienstete, darunter Frauen und Männer, beschäftigt, welche den Verwendungsgruppen H1, H2, M BO 1, M BO 2, M ZO 2, UO/C, M BUO 1, M BUO 2, M ZUO 2, M ZCh, A 1, B, A 2, C, A 3, D, A 4, A 5, VB I/a, VB I/b, VB I/c, VB I/d und V4 angehören. Darunter befinden sich auch AkademikerInnen, insbesondere aus den Bereichen Sprachen und Recht [22]. Über das Rekrutierungs- und Auswahlverfahren angehender Mitarbeiter ist abgesehen vom oben erwähnten Artikel der Zeitung „Rosa Antifa Wien“ wenig konkretes bekannt, allerdings wird anscheinend nicht, wie bei anderen Nachrichtendiensten üblich, an Universitäten rekrutiert [23]. Externe Informanten werden laut dem ehem. Bundesminister für Landesverteidigung Werner Fasslabend im HNA nicht beschäftigt, allerdings sprechen eine ganze Reihe von Indizien gegen diese Behauptung [24]. Weitere Nachfragen von Abgeordneten und anderen Stellen an das Parlament bezüglich dem HNA werden i.d.R. mit folgender Standardformel abgelehnt: "Angaben im Sinne der Fragestellung sind aus Gründen der Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B - VG) bzw. des Datenschutzes nicht geeignet, im Rahmen einer parlamentarischen Anfragebeantwortung öffentlich erörtert zu werden." [25]

 von Domingo Conte (Februar 2010)
 

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QUELLEN:
[1] http://www.bmlv.gv.at/organisation/standorte/wien.shtml
[2] http://www.bmi.gv.at/cms/bmi_verfassungsschutz
[3] http://www.raw.at/sub/texte/inteam/inteam6/int6_vorwaerts_zu_metternich.htm
[4] http://derstandard.at/2459148
[5] http://www.bmlv.gv.at/journalist/pa_body.php?id=580
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Heeresnachrichtenamt#Struktur bzw. http://de.wikipedia.org/wiki/Abwehramt#Aufgaben
[7] http://www.kripo-online.at/krb/show_art.asp?id=854
[8] http://www.bundesheer.at/truppendienst/ausgaben/artikel.php?id=920
[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Heeresnachrichtenamt#Aufgaben
[10] http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_OeffentlicheSicherheit/2005/07_08/files/Heeresnachrichtenamt.pdf
[11] http://www.parlament.gv.at/PG/DE/BR/BRSITZ/BRSITZ_00689/fnameorig_113975.html
[12] European Parliament Report on the existence of a global system for the interception of private and commercial communications (ECHELON interception system, 2001/2098(INI)), nachzulesen: http://www.scribd.com/doc/21458788/Echelon-Report-English oder: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A5-2001-0264+0+DOC+XML+V0//DE oder: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/1/1683/1.html siehe diesbezüglich auch „ENFOPOL-Papiere“: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/6/6326/1.html
[13] http://www.raw.at/texte/inteam/inteam6/int6_vorwaerts_zu_metternich.htm
[14] http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XX/A/A_00555/fnameorig_124888.html
siehe auch: http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XX/NRSITZ/NRSITZ_00084/fnameorig_114157.html#Seite_120.html
[15] Konrad Becker: Die Politik der Infosphäre: World-Information.Org, Seite 96, (nachzulesen: http://books.google.at/books?id=FZHHkEUvWQcC&pg=PA96-IA1&dq=heeresnachrichtendienst+becker&cd=1#v=onepage&q&f=false)
[16] http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XX/AB/AB_05482/fnameorig_135370.html (Punkt 4)
[17] http://www.raw.at/texte/inteam/inteam6/int6_vorwaerts_zu_metternich.htm
[18] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/5/5205/1.html
[19] http://www.acipss.org/intelligence/beitraege/bound_to_cooperate/current_organizations.htm bzw. „Die Presse“, 27. Dezember 1999 (“Wien als ein Tummelplatz der Agenten”)
[20] http://de.wikipedia.org/wiki/Heeresnachrichtenamt#Struktur
[21] Konrad Becker: Die Politik der Infosphäre: World-Information.Org, Seite 96
[22] http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XX/AB/AB_05482/fnameorig_135370.html
[23] http://www.politspiegel.at/?p=992
[24] siehe: http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/J/J_03364/fnameorig_169868.html oder: http://www.falter.at/print/F2002_24_1.php
[25] http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XX/AB/AB_05482/fnameorig_135370.html



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